Sieben Jahre #StolenMemory – über 850 Effektenrückgaben

Im November 2016 riefen die Arolsen Archives die Kampagne #StolenMemory ins Leben. Mit dem Ziel rund 3200 Umschläge mit persönlichen Gegenständen von KZ-Inhaftierten an deren Angehörige zurückzugeben.

Nur sehr wenige dieser Effekten – persönliche Gegenstände, die Nazis den Häftlingen in den Konzentrationslagern abnahmen – sind durch Zufälle erhalten geblieben. Die Geschichte dazu erzählen wir hier. Anfang der 1960er Jahre kamen knapp 5000 Umschläge in das Archiv nach Arolsen. Die Mitarbeiter*innen konnten bis in die 1980er Jahre viele hundert der Effektenbesitzer*innen oder ihre Familien ausfindig machen, um ihnen die persönlichen Gegenstände zurückzugeben. Dann schlief die Suche zunehmend ein, weil mit den damaligen Mitteln nur noch wenige Familien gefunden wurden. Zudem stammte eine Vielzahl der Effektenbesitzer*innen aus Polen und den Ländern der damaligen Sowjetunion, was die Suche erschwerte.

Die persönlichen Gegenstände und der Effektenumschlag von Neonella Doboitschina

2016 machten die Arolsen Archives mit der Kampagne #StolenMemory einen neuen Versuch zumindest die Nachkommen der Verfolgten zu finden und die gestohlenen Erinnerungsstücke zurückzugeben. In den sieben Jahren seit Projektbeginn gab es über 850 Effektenrückgaben. Ein Schlüssel zum Erfolg ist, dass Freiwillige in ganz Europa eng mit unserem Suchteam zusammenarbeiten. Sie unterstützen uns mit ihren Sprachkenntnissen oder suchen gezielt vor Ort. Sehr erfolgreich ist dabei zum Beispiel der polnische Verein „Ocalić od Zapomnienia“, dessen Freiwillige schon 80 Familien gefunden haben.

Persönliche Übergaben an die Familien

In diesem Jahr haben wir bereits über 170 Umschläge zurückgegeben, so viel wie in keinem Jahr zuvor. Die Gegenstände sind zwar selten von materiellem Wert. Für die Angehörigen haben sie jedoch eine starke emotionale Bedeutung als Erinnerungsstücke. Die Päckchen mit den persönlichen Gegenständen versenden wir nach ganz Europa, manchmal sogar nach Australien oder in die USA. Manche Angehörige wünschen sich jedoch auch persönliche Übergaben, die entweder bei ihnen vor Ort oder in Bad Arolsen stattfinden. Diese sehr emotionalen Ereignisse sind auch für Mitarbeiter*innen und Freiwillige die Höhepunkte in der Arbeit für #StolenMemory.

So fand beispielsweise im September dieses Jahres die Rückgabe der persönlichen Gegenstände von Aleksandra Nowak an ihre Familie in Bad Arolsen statt. 1944 wurde die Schneiderin während des Warschauer Aufstandes von den deutschen Besatzern verhaftet und in das KZ Stutthof verschleppt. Aleksandra überlebte Zwangsarbeit und mehrere Konzentrationslager. Nach ihrer Befreiung kehrte sie im November 1945 nach Polen zurück.

Małgorzata Przybyła, Mitarbeiterin der Arolsen Archives, und Zofia Cukrowska, Tochter von Aleksandra Nowak

Mit der Hilfe von Freiwilligen haben wir Zofia Cukrowska gefunden, die Tochter von Aleksandra Nowak. Sie reiste mit ihrer Familie aus Warschau nach Bad Arolsen, um den Ehering der Mutter und ihre Kette mit einem Kreuz persönlich entgegenzunehmen.

In vielen Fällen erhalten die Familien nicht nur diese wertvollen Erinnerungsstücke, sondern auch bis dahin unbekannte Informationen über ihre Verwandten. Manchmal klären sich damit sogar Schicksale: So konnten wir beispielsweise in diesem Jahr einem Enkel des Algeriers Rabia Boucif seine Taschenuhr zurückgeben. Erst dadurch erfuhr die Familie, dass Rabia nicht – wie fast 80 Jahre lang befürchtet – seine Frau und acht Kinder verlassen haben könnte, sondern von den Nazis verhaftet und ermordet wurde.

Die Familie von Rabia Boucif bei der Rückgabe in Paris

Sogar Familienzusammenführungen sind auf diese Weise noch möglich: Vor einigen Monaten kam Patrick May aus den USA, um den Ehering seines Großvaters Walter Senft abzuholen. Bei der Übergabe traf er zum ersten Mal auf seine Cousine zweiten Grades, Catherine Guebey-Robert aus Frankreich. Beide wussten vorher nicht von der Existenz des jeweils anderen. Sie hatten aber unabhängig voneinander die Geschichte der Familie erforscht. Ihre Recherche bei den Arolsen Archives und die Effektenübergabe brachte sie zusammen.

Patrick May und Catherine Guebey-Robert nahmen gemeinsam Walter Senfts Ring entgegen

Trotz der über 850 Rückgaben seit 2016 bewahren wir noch fast 2400 Effekten in unserem Archiv auf: Es gibt also noch viel zu tun!

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