80 Jahre Schweigen: Der Großonkel war im KZ

Durch einen Suchaufruf in der Zeitung erfuhren die Geschwister Genenger, dass ihr Großonkel Robert im KZ inhaftiert war. Die Nazis verfolgten den gelernten Dachdecker als sogenannten „Berufsverbrecher“. Sie nahmen ihm seine persönlichen Gegenstände ab, die wir nun den Angehörigen zurückgeben konnten.

„Wir wussten wirklich nichts von Robert Genenger. Nie wurde in der Familie über ihn gesprochen,“ sagte August Genenger, sein Großneffe. Am 26. Februar gaben die Arolsen Archives ihm und seiner Schwester Martha Stang die persönlichen Dokumente ihres Großonkels zurück. Sie möchten die Geschichte von Robert Genenger nun auch an die nächste Generation der Familie weitergeben.

Inhaftiert als sogenannter „Berufsverbrecher“

Robert Genenger wurde am 1. Januar 1887 in Krefeld geboren. Sein Vater Friedrich war Inhaber eines Dachdeckerbetriebs, der bis heute in Krefeld besteht. 1904 schloss Robert seine Ausbildung im Familienbetrieb ab. Viele Informationen über seinen weiteren Berufs- und Lebensweg gibt es nicht. Aus den Dokumenten wissen wir, dass er ab 1938 in verschiedenen Betrieben in Berlin arbeitete und wahrscheinlich geschieden war. Die Kripo Berlin nahm Robert am 19. April 1941 wegen angeblicher „Arbeitsverweigerung“ fest. Nach fünfmonatiger Haft im Gefängnis in Berlin-Spandau wurde er ab September 1941 in „Schutzhaft“ festgehalten – ohne Gerichtsverfahren und unbefristet.

Die SS deportierte Robert am 18. November 1941 in das Konzentrationslager Buchenwald, stempelte ihn als „Berufsverbrecher“ ab und teilte ihn einer Strafkompanie zu. Im März 1942 transportierten die Nationalsozialisten ihn zunächst in das KZ Ravensbrück, später in das KZ Sachsenhausen. Mitte November 1942 wurde er in das KZ Dachau überstellt. Robert Genenger überlebte die jahrelange unmenschliche Lagerhaft und gab Ende Mai 1945 gegenüber den Alliierten an, wieder in Berlin leben zu wollen.

Der Fragebogen der Alliierten zeigt ein Porträtfoto Genengers

1964 versuchte der International Tracing Service (heute Arolsen Archives) vergeblich, Robert Genengers Adresse in Berlin herauszufinden, um ihm seine persönlichen Gegenstände aus der Haftzeit zurückzugeben: einen Entlassungsschein aus dem Gefängnis Berlin-Spandau und sein Arbeitsbuch. Ab Mitte der 1930er Jahre mussten alle deutschen Arbeiternehmer*innen und später auch die zivilen Zwangsarbeiter*innen aus den besetzten Gebieten ein Arbeitsbuch bei ihren Arbeitgebern abgeben. Es diente der Verwaltung und Koordination des sogenannten Arbeitseinsatzes. Das Arbeitsbuch schränkte die Berufsfreiheit ein. Hätte Robert Genenger damals diese Dokumente, die wahrscheinlich schlechte Erinnerungen bei ihm weckten, überhaupt zurückerhalten wollen?

Das Arbeitsbuch von Robert Genenger

Rückgabe an die Familie in Krefeld

Als die #StolenMemory-Wanderausstellung letzten Herbst in Krefeld gezeigt wurde, nutzten wir die Chance, auf die Geschichte von Robert Genenger aufmerksam zu machen. Seine persönlichen Gegenstände sind die einzigen in der Sammlung der Arolsen Archives mit einem Bezug zur Stadt Krefeld.

Fabian Schmitz ist Mitarbeiter der Gedenkstätte Villa Merländer, welche die Ausstellung vor Ort betreute. Er recherchierte im Stadtarchiv nach den Angehörigen. Außerdem veröffentlichte die Rheinische Post einen Suchaufruf. Daraufhin meldete sich August Genenger, der bis vor 11 Jahren den 1887 gegründeten Dachdeckerbetrieb leitete – ein Kunde hatte ihn auf den Zeitungsartikel hingewiesen.

August Genenger ist der Großneffe von Robert Genenger. In seiner Familie sprach man nicht über Robert, geschweige denn von seiner Lagerhaft. Die Verfolgung, gerade als „Berufsverbrecher“, war auch nach dem Ende des Nationalsozialismus unangenehm. Deswegen verschwiegen oder verdrängten viel Familien diese Geschichten. August Genenger erzählte bei der Rückgabe außerdem, dass die Familie dem Regime eher freundlich gegenüberstand: „Ich kann mich an Situationen erinnern, bei denen Sätze fielen wie ‚Das hätte es bei Adolf nicht gegeben‘.“

WDR-Beitrag zur Rückgabe

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