Was sind Effekten?

Früher war damit Reisegepäck, oder beweglicher Besitz allgemein, gemeint. Heute kennt man das Wort auch aus dem Börsenhandel, wo es Wertpapiere bezeichnet.

Im Kontext des Zweiten Weltkriegs sind damit jedoch persönliche Gegenstände gemeint, die Häftlinge bei ihrer Ankunft in den Gefängnissen und Konzentrationslagern abgeben mussten und teilweise nach ihrer Freilassung wieder zurückerhielten.

Brieftaschen, Ausweispapiere, Fotos, Briefe, Urkunden … aber auch Modeschmuck, Zigarettenetuis, Eheringe, Taschen- und Armbanduhren oder Füllfederhalter erzählen vom Leben dieser Menschen vor ihrer Haft und verdeutlichen gleichzeitig eindrücklich ihren Verlust.

In den KZs gab es sogenannte Effektenkammern zur Aufbewahrung der entwendeten Kleidung und Gegenstände.

Effektenkammer, Musée de la Résistance et de la Déportation de Besançon, France

Wurden die Häftlinge, was sehr häufig geschah, in andere Lager verlegt, schickte die SS die Effekten hinterher.

Arolsen Archives, Doc-ID 2532993

Anders in den Vernichtungslagern. Dort sammelten die Täter den Besitz der Opfer nur ein – und transportierten ihn ab. Die Nazis machten ihre Beute aus den Lagern zu Geld und füllten damit ihre Kriegskassen.

United States Holocaust Memorial Museum,
courtesy of Philip Vock, photo number: 14877

Die Effekten in den Arolsen Archives stammen hauptsächlich aus dem KZ Neuengamme und in geringerer Zahl aus dem KZ Dachau.

Dazu kommen noch kleinere Bestände u.a. aus dem KZ Bergen-Belsen und von der Hamburger Gestapo. Die einstigen Besitzer waren überwiegend politisch Verfolgte oder in Konzentrationslagern inhaftierte Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Sie stammten aus über 30 Nationen, vorwiegend aus Ostmittel- und Osteuropa. Besonders im Bestand des KZ Dachau finden sich auch viele Effekten von deutschen Häftlingen.

Besitz jüdischer KZ-Häftlinge ist im erhaltenen Bestand nur vereinzelt vorhanden, überwiegend von ungarischen Juden, die nicht in den Lagern ermordet, sondern in den letzten Kriegsmonaten zur Zwangsarbeit nach Neuengamme deportiert wurden. Ebenso finden sich kaum Effekten von Sinti und Roma. Diese Verfolgtengruppe wurde ebenfalls in den Vernichtungslagern ermordet und ihr Eigentum floss in die Staatskassen der Nazis.

Im KZ Neuengamme hatte der Leiter der dortigen Verwaltung, SS Sturmbannführer Christoph-Heinz Gehring, im April 1945, dem Unterscharführer Franz Wulf den Auftrag erteilt, Lagerräume für den Besitz der Häftlinge des KZ Neuengamme und seiner Außenlager zu finden.

BArch, R9361III-51781

Wulf fuhr in seinen Heimatort Lunden und veranlasste, dass alles dort in der Kegelbahn einer Gaststätte verstaut werden sollte.

Schon bald nach der Befreiung stellte die Britische Armee das Eigentum der Häftlinge sicher.

1948 übergaben die Briten die Gegenstände mit dem Auftrag der Rückerstattung an das Zentralamt für Vermögensverwaltung (ab 1955 Verwaltungsamt für Innere Restitution) in Stadthagen.

Die Effekten aus dem KZ Bergen-Belsen wurden in einem furchtbaren Zustand in einer Reichsbank-Filiale in Lüneburg sichergestellt. Sie waren geplündert und mutwillig zerstört worden. Nur in rund 100 Fällen konnten sie noch Personen zugeordnet werden.

Bei den Effekten aus dem KZ Dachau waren es ehemalige Häftlinge, die deren Verwaltung übernommen hatten. Vieles wurde direkt an die Überlebenden ausgehändigt.

Doch das war nicht immer möglich, beispielsweise bei Häftlingen aus den Außenlagern.

Über verschiedene Zwischenstationen bei anderen Institutionen kamen die Gegenstände 1963 schließlich nach Arolsen.

Walter Cieślik in Häftlingskleidung an seinem Schreibtisch im IIO, Dachau, 5.6.1945 DaA F 1832/33281/KZ-Gedenkstätte Dachau

Die Suche der Arolsen Archives nach den rechtmäßigen Besitzern, Überlebenden oder ihren Familien, begann.

1963 befanden sich mehr als
4700 Umschläge mit persönlichen Gegenständen von ehemaligen Häftlingen zur Aufbewahrung und Rückgabe im Archiv.

Bis heute wurden viele hundert Effekten an ihre früheren Besitzer oder deren Nachkommen übergeben. Was sich jetzt noch im Archiv befindet sind Gegenstände, bei denen es über viele Jahrzehnte nicht gelang, die Eigentümer zu finden.

In den letzten Jahren haben die neuen Recherchemöglichkeiten online und ein internationales Netz an freiwilligen Helferinnen und Helfern viele Rückgaben ermöglicht. Stand Dezember 2021 befanden sich noch circa 2500 Umschläge mit den Effekten ehemaliger Häftlinge in den Arolsen Archives, deren rechtmäßige Besitzer noch nicht ermittelt werden konnten.

Helfen Sie uns bei der Suche!

Schul- und Bildungsprojekte

Die „Effekten“ und die Schicksale ihrer Besitzer sind greifbar und bieten spannende Möglichkeiten für ein forschendes Lernen über die NS-Verfolgung im Unterricht wie in Projekten. Wer tiefer einsteigen möchte, kann dabei helfen Familien zu finden.

Thematischer Einstieg

Was sind Effekten und was können wir mit ihnen erforschen? Material für einen kurzen Einstieg in die Thematik zu Beginn einer Schulstunde oder eines Projekttags. (verfügbar ab 09/2020)

Lerneinheit 1

Auseinandersetzung mit der NS-Verfolgung am Einzelschicksal: Lerneinheit zu den drei unter „Memories“ präsentierten Personen; Erarbeitung eines Zeitstrahls. (verfügbar ab 09/2020)

Lerneinheit 2

Effekten von KZ-Häftlingen als Schlüssel zur Untersuchung der NS-Verfolgung: Vertiefende Lerneinheit mit Dossiers zu 20 Biographien und einer Europakarte (verfügbar ab 09/2020)

Lerneinheit 3

Mithelfen bei der Rückgabe! Instagram-Postings zur Unterstützung der Suche nach Angehörigen: Lerneinheit mit interaktiver Karte; eigene Suchaufrufe verfassen. (verfügbar ab 09/2020)

Über uns

Auf unserer Website könnt ihr mehr über unsere Arbeit erfahren. Und wie ihr mitmachen könnt, um die Erinnerung und Geschichte wachzuhalten.

Arolsen Archives

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