Familie aus Australien nimmt Erinnerungsstücke in Madrid entgegen
17.000 km Luftlinie ist Manuel Montes aus Australien nach Madrid gereist. Anfang Oktober hat er dort die letzten persönlichen Gegenstände seines Urgroßonkels Gabriel Álvarez Arjona entgegengenommen. Die Nationalsozialisten hatten sie Gabriel vor 80 Jahren im Konzentrationslager Neuengamme abgenommen.
Nach der langen Reise erhält Manuel Montes endlich die Taschenuhr und die zwei Ringe seines Urgroßonkels in der Hand – ein sehr bewegender Moment am 2. Oktober im Goethe-Institut in Madrid. Floriane Azoulay, Direktorin der Arolsen Archives, und Jesús Rodríguez und Isabel Martínez von der Initiative Stolpersteine Madrid hatten ihm die Erinnerungstücke übergeben. Die Initiative hatte entscheidend dazu beigetragen, die Familie von Gabriel Álvarez Arjona in Australien zu finden.
Überlebender mehrerer Lager
Gabriel Álvarez Arjona, geboren am 26. März 1899 oder 1900 in Madrid, war von Beruf Maler und Dekorateur. 1936 meldete er sich zur Freiwilligenmiliz MAOC (Milicias Antifascistas Obreras y Campesinas; auf Deutsch: Antifaschistische Arbeiter- und Bauernmilizen), um Madrid gegen die Putschisten um Franco zu verteidigen. Wie viele der Unterstützer der Republik, musste Gabriel am Ende des Spanischen Bürgerkriegs 1939 ins Exil nach Frankreich gehen, wo er zunächst in verschiedenen Lagern interniert war.
Ab Oktober 1940 bis Mai 1943 arbeitete er in einem Malerbetrieb in Le Mans, dann wurde er auf Anordnung des Regionalpräfekten von Angers aufgrund der Ausländergesetze der Vichy-Regierung verhaftet. Im Haftbefehl beschuldigte man ihn der Beziehungen zu spanischen Kommunisten und Anarchisten in Paris. Am 23. November 1943 wurde Gabriel in das Lager Voves überstellt. Nachdem die SS am 6. Mai 1944 die Kontrolle über dieses Lager übernahmen, verschleppte sie ihn drei Tage später in das Durchgangslager Royallieu-Compiègne und von dort in das Konzentrationslager Neuengamme.
Hier nahmen die Nazis Gabriel, wie allen anderen Häftlingen, die persönlichen Gegenstände ab, die er bei sich trug, darunter eine Taschenuhr und zwei Ringe. Befreit wurde er am 29. April 1945 im Lager Sandbostel, wohin ihn die SS zum Kriegsende Anfang Mai mit über 9.000 anderen Häftlingen verschleppt hatte. Gabriel kehrte nach Frankreich zurück und starb dort am 4. September 1982.
Weltweite Spurensuche
Für #StolenMemory hatten sich Jesús Rodríguez und Isabel Martínez von der Initiative Stolpersteine Madrid auf die Suche nach der Familie von Gabriel Álvarez Arjona begeben und herausgefunden, dass Angehörige von ihm seit den 1960er Jahren in Australien leben. Ein befreundeter Privatforscher, Unai Eguia, kannte einen Spanier in Australien mit einer Radiosendung für spanische Auswanderer. In dessen Sendung sprach Unai Eguia schließlich über die Suche nach Gabriels Familie.
Das war vor zwei Jahren. Manuel Montes hörte von der Sendung und der Suche nach Gabriels Angehörigen. Sein Vater war 1940 von einer Nichte Gabriels adoptiert worden, somit ist er Gabriels Urgroßneffe. Manuels Vater stand auch im brieflichen Kontakt mit seinem in Frankreich lebenden Großonkel Gabriel.
Eigentlich sollte die Rückgabe bereits im September 2022 stattfinden, musste aber aufgrund des Gesundheitszustands des Vaters von Manuel verschoben werden. Dieser verstarb leider am 8. Dezember 2023. Deswegen reiste nun Manuel alleine aus Melbourne für die Rückgabe nach Madrid. Die Initiative Stolpersteine Madrid verlegte außerdem am 5. Oktober einen Stolperstein für Gabriel Álvarez Arjona im Stadtteil Tetuán.
Großes Interesse an #StolenMemory in Spanien
Seit Projektbeginn von #StolenMemory 2016 haben dank der Unterstützung der #StolenMemory-Freiwilligen über 50 Familien die Erinnerungsstücke von ehemaligen spanischen KZ-Häftlingen zurückerhalten. Einige persönliche Gegenstände wurden auch an Archive und Museen z. B. in Salamanca oder Murcia verliehen. Dort erzählen die Ausstellungen die Geschichte ihrer Besitzer.
Die Arolsen Archives bieten seit 2020 zudem Plakatausstellungen in Kooperation mit spanischen Institutionen in verschiedenen Städten an. In diesem Sommer waren erstmals fünf Ausstellungen zeitgleich in verschiedenen Städten und Regionen wie Madrid, Alicante oder Asturien zu sehen. Die Ausstellungen werden meist durch Biographien von NS-Verfolgten aus der Region ergänzt. Hierbei unterstützt uns auch der Freiwillige Antonio Muñoz Sánchez, der viele Familien in Spanien gefunden hat.